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WAHLKRAMPF
Der WAHLKAMPF ALS SPASSFAKTOR hätte durchaus gewisse Möglichkeiten. Wenn die Schweizer Comedians nicht solche Hosenscheisser und die politischen Parteien nicht solche Spassbremsen wären, könnte da etwas Schönes entstehen.

Dieses Jahr gab es Spass mit den Grünen, die mit einer Boulevardbekanntheit namens Tamy Glauser punkten wollten. Leider erzählte die etwas unbedarfte Dame dann, dass „Blut von Veganern Krebszellen töten kann.“

Dumm gelaufen, ihr Grünen!

Kreise aus den rechten Parteien, die Angst vor dem Untergang des Abendlandes durch die Islamisierung haben, unterfüttern ihre Argumentation damit, dass es bald kein Schweinefleisch mehr in den Kindertagesstätten geben wird. Man stelle sich vor, die armen Kinder, die nicht mehr an riesigen Schweinskoteletts nagen dürfen.

Die FDP postuliert mit ihrer Wahlwerbung in geradezu euphorischer Zukunftsversessenheit:  Ich zitiere: Die Schweiz will weiter. Machen wir es möglich. Ja, wo will sie denn hin, die Schweiz? Weiss das vielleicht die FDP? Sagt sie es uns? So inhalts- und sinnlos, ja gänzlich hirnrissig war Wahlwerbung aber schon immer.

Eine SVP-Nationalratskandidatin aus dem Kanton Baselland hat dementsprechend die griffige Parole ausgegeben: „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Hat die Dame vielleicht Karl Marx gelesen?

Überhaupt die SVP, da könnte man ja stundenlang lachen: Kaum hat sich ihre Taktik mit der Klimalüge als Rohrkrepierer herausgestellt, werden wieder die alten Werte ausgegraben: Sicher und frei. Oder frei und sicher. Das Plakat mit den netten und linken Würmern im Apfel ist auch schnell wieder verschwunden.

Und in Riehen, meinem Wohnort, soll gemäss einer SVP-Bürgerwehr die Polizei in den 30 Stundenkilometer-Zonen schneller fahren dürfen, um flüchtige Verbrecher einholen zu können. Die Missetäter halten sich sicher an das Geschwindigkeitslimit.

In der Stadt Basel begann die sozialdemokratische Kandidatin zur Nachfolge der Regierungsrätin mit einer Panne, indem sie ihre Wahlplakate zu früh aufhängen liess und sie wieder entfernen musste. Als notorische Hundeliebhaberin nahm sie auch ihren Fido mit zu einer ersten Pressekonferenz. Vielleicht bringt sowas ja zusätzlich Stimmen.

WAHLEN SIND SOWIESO VÖLLIG ABSURD

Vor allem in einem politischen System wie der Schweiz.

Wenn bei einer – wie immer zweifelhaften – Umfrage herauskommt, dass die geistigen Randgebiete der SVP 2 % ihrer Stimmen verlieren könnten, genau: 2 kleine Prozent weniger SVP – dann wird von einem politischen Umsturz geschwafelt.

Bei 1,2% Verlusten wird der FDP der Absturz prophezeit.

Das sind selbstverständlich rein konstitutive Lügen. Ein Wichtigmachen. Auch ein Ablenken. Ein Pfeifen im Walde. Schaut her, wie unsere Demokratie super spitzenmässig funktioniert. Zwei kleine Prozent und alles ändert sich. Nichts ändert sich!

Aber um diese paar Prozent oder Promille wird tapfer getrickst und gemauschelt.

Zum Beispiel ganz neu mit der Listenschwemme:

Das ist jetzt erlaubt: Im Kanton Aargau gibt es z.B. neun verschiedene CVP-Listen. Das soll nach eigener Aussage die Breite der Partei abbbilden und punktuell Interessierte – also solche, die zum Beispiel nur Bauern wählen – ansprechen.

In den nächsten Jahren wird es also viele Listen geben. Wir tippen mal auf „Anarchisten in der SP“ oder „Präsenile in der EDU“.

Eigentlich ist das aber nur ein Aufblähen eines Prozederes, das instinktiv seine Grenzen und Schranken erkannt hat.

 

STIMMEN MACHEN

Stimmen kann man kaufen, immerhin leben wir im Kapitalismus: 300.000 Franken gibt Cédric Wermuth von der SP dafür aus, dass er in den Ständerat gewählt wird. 200.000 Franken stammen nach seinen Aussagen aus privaten, kleinen Spenden. Für so was haben sie Geld, die kleinen Leute…

Und dann noch: Was wird wohl erst auf uns zukommen, wenn alle Parteien gemerkt haben, dass die Digitalisierung mehr ist, als das Notebook auf- und zu zu klappen. Was wird da nicht alles anschwappen in den nächsten Wahlen. Der Wahlkampf als Social Media Overkill. Vielleicht wird das aber auch ganz lustig, wenn sich Parteipräsidentinnen und -präsidenten zum Affen machen. Doch, so etwas kann durchaus die politische Witzkultur bereichern, allerdings nicht das Funktionieren der Demokratie.

Ein paar Worte zu den Medien: Neue politische Inhalte werden je länger je mehr – also gerade im Wahljahr – nicht mit ihrem gesellschaftlichen, politischen Gehalt, als Idee, als Innovation diskutiert, sondern als reine Wahlkampfmunition, als Anheizen des Wettbewerbs dargestellt. Und eine politische Forderung, ein politisches Argument wird unerträglich mit dem Kult oder dem Bashing von Personen verquickt. Bestes Beispiel ist die Klimakatastrophe. Die existiert ja nicht erst seit Greta Thunberg.

Wahlkampf. Man müsste ihn eigentlich verbieten. Vielleicht müsste man auch die Wahlen verbieten. Das kommt mir immer öfters in den Sinn. Vor allem im Wahlkrampf.

So wie bei der Einführung der repräsentativen Demokratie über Jahrhunderte, ob jetzt gewählt oder gerlost wurde, die schlechten Steuerzahler, die Frauen und die Sklaven ausgeschlossen blieben, sind es heute hier ansässige Ausländer und Jugendliche.

Erleben wir eine Krise der Demokratie? Ja, eigentlich permanent seit gut 250 Jahren.

 

Kopulierende Kulturkaninchen

Kunst und Kultur sind ein integraler und lebendiger Teil unserer Gesellschaft, und so wie sich die Gesellschaft wandelt, verändern sich auch Kunst und Kultur. Das ist eine Binsenweisheit. Im Neoliberalismus ist fertig lustig für Kunst und Kultur. Da gibt es Druck von der Politik. Da werden Konzepte und Eigenfinanzierung gefordert, Kuratierung und Bürokratisierung, Controlling und Effizienz, Führungskompetenz und internationale Standards. Es kann einem angst und bange dabei werden.

Dabei sind Kunst und Kultur doch eigentlich verpflichtet, der Einförmigkeit und der Langeweile des globalen Spektakels so etwas wie Leidenschaft und Phantasie entgegenzusetzen.

Liest man aber die verschiedensten Kulturkonzepte der Schweizer Kantone und Gemeinden, dann wird einem leicht schwindlig. Nicht, weil es phänomenale, kühne Entwürfe wären, sie sind eher das Gegenteil. Überall klingt es gleich, von der gesellschaftlichen Identitätsstiftung durch Kultur hin zu Leuchttürmen und Flaggschiffen bis zur Vermeidung des sogenannten Giesskannenprinzips.

Das ist mit Verlaub völliger Quatsch! Es lebe das Giesskannenprinzip! Es ist genügend Geld da. Es geht nicht an darüber zu richten, was Kunst und Kultur sind. Es geht darum, sie zu ermöglichen. Wo auch immer. Wer auch immer sie macht. Es braucht einen brodelnden Untergrund, der sich nicht klassifizieren, auswerten und verwerten lässt. Nur mit dem Chaos kann die neoliberale Sucht nach Sauberkeit und Sicherheit bekämpft werden. Kunst ist unordentlich, schmutzig, rau und widerspenstig. Kunst ist schön in ihrer Unberechenbarkeit.

Die grössten Kunstverhinderer sind selbstverständlich all diese Jurys in den Städten und Kantonen. Auch so ein kulturpolitischer Wasserkopf wie die Pro Helvetia scheint nichts anderes zu tun zu haben, als in ihren sterilen Büros die Kunst zu definieren. Geht nicht. Kunst definiert sich selbst.

Kunst und Kultur stecken also momentan hoffnungslos in der Klemme. Sie sind ein etwas grünlich schimmerndes Stück Schinken zwischen zwei staubtrockenen Toastscheiben. Die eine Scheibe ist der Druck der Populisten und wildgewordenen Spiessbürger, die sich für jede Rebellion und Aufmüpfigkeit mit einem Sparprogramm an der Kultur rächen wollen. Die andere Scheibe ist die Kulturbürokratie, in der Manager und Kuratoren, Gutmeinende und Absahner sich vermehren wie kopulierende Kaninchen.

Die Kunst muss anarchistisch sein, sich der Kontrolle und der Kuratierung entziehen. Wenn die Kunst nicht für sich selbst spricht, dann kann das auch der Vermittler oder der Verwalter nicht. Selbstverständlich gibt es schlechte Kunst. Na und? Es gibt auch grauenhaft schlechte Bankmanager, die trotzdem ihren Bonus abzwacken. Schlechte Politiker. Schlechte Ärzte.

Doch bedenket: „Der Künstler hat kein Recht, die Zeit seines Hörers unnötig in Anspruch zu nehmen.“ Was Eric Satie sagt, gilt für alle, nicht nur für die Musiker. (Erschienen in «Juli», Aargauer Kulturzeitschrift, Januar 2015).

 

GESANG EINES LEBENSMÜDEN

Ich schneid mir einen Finger ab

Ich grabe mir ein frühes Grab

Ich mag nicht mehr

Und das schon sehr

Ich springe in den kalten Rhein

Und lass das Leben einfach sein

 

Mein Körper streikt und spuckt und speit

Ich leide viel an meinem Leid

Ich kann nicht mehr

Die Last zu schwer

Ich springe in den tiefen Rhein

Will eine Wasserleiche sein

 

Nach Kembs hin trägt mich dann die Flut

Ich schmeck den Fischen wirklich gut

Ich werd so leicht

Und ausgebleicht

Der letzte Schwumm im schönen Rhein

So soll es sein!